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Jörg Kachelmann ist unschuldig. Ende eines bizarren Prozesses.

01.06.2011 |  Von  |  Beitrag

Nach 43 Verhandlungstagen, zehn Gutachtern und über 30 befragten Zeugen, darunter mehrere Ex-Geliebte, steht das Urteil im Kachelmann-Prozess fest: Freispruch!

Damit ging ein absurdes Stück Justizgeschichte zu Ende, in dem neben den Medien vor allem das Landgericht Mannheim eine unrühmliche Rolle spielte. Hier die gröbsten Ärgernisse.

Ärgernis Nr. 1 – das Nachtreten gegen den freigesprochenen Jörg Kachelmann in der Urteilsbegründung: Der Angeklagte werde mit dem Verdacht entlassen, ein „potenzieller Vergewaltiger“ zu sein, die Nebenklägerin müsse damit leben, als „potenziell rachsüchtige Lügnerin“ zu gelten, so der Vorsitzende Richter.

Es ist beispiellos, dass die Mannheimer Richter in ihrer Urteilsbegründung dem Freigesprochenen nachträglich den Makel des üblen Verdachts anheften wollen. Jeder hat so lange als unschuldig zu gelten, bis er von einem Gericht für schuldig erklärt wird. So gesehen gibt es juristisch keinen „Freispruch zweiter Klasse“: Freispruch heisst unschuldig! Auch ist es nicht Aufgabe des Gerichts, die „Wahrheit“ herauszufinden, sondern zu schauen, ob die Beweise für eine Verurteilung ausreichen. Das war hier nicht der Fall, weswegen das Urteil lauten musste: Freispruch aus Mangel an Beweisen. Noch einmal ganz klar: Laut richterlichem Urteil hat Kachelmann als unschuldig zu gelten. Punkt.

Ärgernis Nr. 2 – das emotionale Agieren der Mannheimer Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung um jeden Preis wollte. So kam es, dass sich der Prozess unverhältnismässig in die Länge zog. So kam es auch, dass Kachelmann viel zu lange in U-Haft sass. Erst das Oberlandesgericht Karlsruhe, das keinen dringenden Tatverdacht konstatierte, hatte dem Landgericht Mannheim Einhalt geboten.

Angesichts der dürftigen Beweislage und der mangelnden Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers – es hatte nachweislich gelogen und getäuscht, war ausserdem nicht in der Lage, das Kerngeschehen widerspruchsfrei zu schildern – hätte der Prozess nach dem 5. Tag beendet sein müssen. Stattdessen vertändelte das Gericht Zeit, indem es unter anderem 10 Ex-Geliebte antanzen liess.

Ärgernis Nr. 3 – das Ausbreiten von Kachelmanns Privatleben vor Gericht. Auf untragbare Weise wurde hier über den (promisken) Lebensstil des Angeklagten zu Gericht gesessen. Relevanz für den Tatvorwurf: null. Noch ist es nämlich nicht strafbar, 10 Geliebte zu haben, auch wenn ein solches Verhalten manch eine(n) empören mag.

Ärgernis Nr. 4 – die Behauptung, durch den Kachelmann-Prozess müssten sich Vergewaltigungsopfer erst recht abschreckt fühlen, künftig vor Gericht zu gehen. Vorgetragen wird dies etwa von Feministinnen wie Alice Schwarzer, also ausgerechnet von einer Medienfrau, die mit dazu beigetragen hat, dass das Verfahren aus dem Ruder lief. Geradezu unverantwortlich ist es, so zu tun, als sei dieser Prozess vergleichbar mit anderen Fällen, in denen keine Prominenten beteiligt sind. Normale Vergewaltigungsprozesse laufen völlig unspektakulär ab und ziehen sich auch nicht über Monate hin.

Ein Vergewaltigungsopfer, das die Tat glaubwürdig schildern kann, hat nach wie vor alle Chancen, eine Verurteilung des Täters zu erlangen. Schlecht sieht es allerdings aus, wenn eine Klägerin dazu nicht in der Lage ist oder gar beim Lügen erwischt wird – wie das angebliche Kachelmann-Opfer. Wenn dann wie im Fall Kachelmann der Angeklagte freigesprochen wird, ist das ein Sieg des Rechtsstaats!

Blogparade: Freispruch für Kachelmann gerecht?

 

Titelbild: Johann Schwenn, der Verteidiger Jörg Kachelmanns vor Journalisten. (Bild: Itu / Wikimedia / CC)

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