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Repair Cafés: Ein neuer Schweizer Nachhaltigkeitstrend

29.10.2014 |  Von  |  Beitrag

Der Begriff der geplanten Obsoleszenz von elektronischen und mechanischen Konsumprodukten vom Staubsauger bis zum Handy ist inzwischen vielen Verbrauchern ein Begriff.

Ob in einen Gegenstand nun absehbare Schwachstellen integriert oder Materialien von minderer Qualität verarbeitet werden oder die Betreibersoftware direkt mit einer definierten Lebensspanne programmiert ist: Diese von den respektiven Herstellern beabsichtigte Verkürzung der Lebensdauer der Geräte ist für den Käufer ärgerlich, verursacht sie doch Kosten und Mühe.

Auch aus Nachhaltigkeitsaspekten ist der künstlich hergestellte Bedarf katastrophal. Nicht nur werden teils wertvolle und riskante Ressourcen wie etwa seltene Erden oder Erdöl zur Herstellung eigentlich unnötiger Produkte verschwendet, auch der dabei entstehende Müll, häufig schwer abzubauen und nur mit hohem Energieaufwand recycelbar, ist eine unverantwortbare Folge.

Hinzu kommt ausserdem die psychologische Komponente: Die geplante Obsoleszenz als Produktionsstrategie zur Ankurbelung des Absatzes ist für mündige Konsumenten eine eigentlich nicht hinnehmbare Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit. Ihnen wird damit im Ergebnis die Möglichkeit genommen, so nachhaltig zu leben und zu konsumieren, wie sie es individuell wählen. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn Geräte bis auf einen kleinen Fehler ansonsten einwandfrei in Ordnung sind. Dabei gilt dieses Ärgernis allerdings nicht nur für von der Industrie künstlich gealterte Produkte. Manchmal ist es auch das eigene Nichtwissen oder die fehlende Erfahrung, durch die einem offensichtlich lösbaren Funktionsfehler ein plötzlich unbrauchbarer Gegenstand folgt.

Doch nun gibt es für alle diese Probleme eine neue, nachhaltige Lösung, die geradezu lauffeuerartig um sich greift und überall auf der Welt Menschen mit defekten Konsumgütern mit Experten zusammenbringt, die imstande sind, diese wieder zu reparieren. Diese neue Idee nennt sich Repair Café. Auch in der Schweiz wird sie bereits in neun Städten von begeisterten Ehrenamtlichen vorangebracht.

Die Repair Cafés funktionieren als öffentlich bekannt gemachte und zugängliche Treffen, bei denen jeder defekte Produkte mitbringen kann. Vor Ort stehen ehrenamtliche Spezialisten vom IT-Fachmann zum Elektriker zur Verfügung, um bei der Reparatur des defekten Gegenstandes zu helfen. Dabei geht es nicht um eine Dienstleistung, sondern um einen Lerneffekt – hier kann jeder selber erleben, wie unter fachkundiger Anleitung aus Ahnungslosigkeit Fachwissen und positive Erfahrung wird.


Es geht nicht nur um Dienstleistung, sondern auch um einen Lerneffekt. (Bild: © Rangzen - fotolia.com)

Es geht nicht nur um Dienstleistung, sondern auch um einen Lerneffekt. (Bild: © Rangzen – fotolia.com)


In den meisten Repair Cafés stehen die grundlegenden Werkzeuge zur Nutzung zur Verfügung. Viele der Helfer bringen zudem spezielle Instrumente aus dem eigenen Bestand mit. Häufig können nötige Ersatzteile vor Ort zum geringen Preis erworben werden, denn bereichern will sich hier niemand. Natürlich kann für die Reparatur weder Garantie noch Haftung übernommen werden – aber: Wie viel schlimmer kann es werden? Nur wenn ein Gerät noch offensichtlich innerhalb der Garantiezeit liegt, und der Garantieanspruch durch selbstständige Reparaturbemühungen erlöschen würde, ist ein vorheriger Versuch beim Hersteller anzuraten.

Neben dem Zugewinn durch ein wieder funktionierendes Gerät ist bei den Repair Cafés auch die nachbarschaftliche und kommunikative Komponente nicht zu unterschätzen. Immer werden hier Kaffee und Kuchen angeboten. Besucher kommen mit anderen Menschen ins Gespräch, die ebenfalls konsumkritisch oder nachhaltig denken und Veränderungen in der Wachstumsgesellschaft herbeiführen möchten.

Auch für Kinder und Schulklassen sind Repair Cafés eine wertvolle Erfahrung und gleichzeitig ein grosser Spass. Sie lernen, der Wegwerfmentalität und Konsumgesellschaft, der sie täglich begegnen, durch der eigenen Hände Arbeit etwas Sinnvolles entgegenzusetzen. Gleichzeitig zeigt sich beim Auseinandernehmen von Gegenständen, deren Innenleben sonst selten zum Vorschein kommt, auch die mechanische Funktionsweise von Alltagsdingen – ein praktischer Einblick in Produktdesign und physikalische Zusammenhänge, der auch für Erwachsene häufig noch eine Vielzahl an Überraschungen birgt.

Natürlich sind alle Repair Cafés dankbar für und angewiesen auf die freiwillige Mithilfe von Experten. Gerade für Senioren und Studenten bietet sich hier ein ausgezeichnetes Betätigungsfeld, um vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen nicht brach liegen zu lassen, sondern weiter anzuwenden und einzuüben. Auch wer einfach nur über handwerkliche Fertigkeiten verfügt, gerne mit Werkstoffen umgeht, auch zu Hause schon oft und erfolgreich Haushaltsgeräte oder etwa Computer repariert hat oder einfach nur für die Umwelt aktiv werden möchte, kann sich jederzeit bei einem der vorhandenen Repair Cafés melden oder selbst ein Neues initiieren.



Wer mehr über die Repair Cafés in einzelnen Städten erfahren möchte, kann dies auf der Webseite der Verbraucherinitiative Konsumentenschutz tun. Dort werden sämtliche Veranstaltungsorte und Daten aktualisiert angezeigt. Bisher gibt es Repair Cafés in Bern, Basel, Brugg/Windisch, Genf, Niedau/Biel, Sion, Solothurn, Thun und natürlich Zürich. Für jeden, der sich gerne intensiver mit der Idee beschäftigen oder sie finanziell oder durch Sachspenden unterstützen will, ist das Internetportal repaircafe.org geschaffen worden. Dort finden sich auch Kontaktmöglichkeiten und viele Tipps, falls man selbst ein neues Repair Café eröffnen möchte.

 

Oberstes Bild: © Kurhan – fotolia.com

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