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Biber helfen bei der Revitalisierung Schweizer Bäche und Flüsse

10.11.2014 |  Von  |  Beitrag

Biber besitzen die einzigartige Fähigkeit, ihren Lebensraum nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten: Sie legen Dämme an, um die Fliessgeschwindigkeit zu reduzieren und den Wasserstand konstant zu halten, errichten Wohnhöhlen und vernetzen sie mit Gängen und Fluchtwegen. Seit 2011 läuft ein Projekt des Schweizer Bundesamtes für Umweltschutz, um begradigte Gewässer wieder naturnah zu gestalten. Dabei wirkt der Biber sozusagen als „freier Mitarbeiter“ mit.

Das Material für ihre emsige Bautätigkeit besorgen sich die Tiere aus der umliegenden Landschaft, die sie dabei ebenfalls umformen. So entstehen Lücken in dichtem Unterholz, Lichtungen in Waldgebieten, Sümpfe und Teiche, die es sonst nicht gäbe. Kein anderes Tier kann eine Landschaft so massiv verändern wie der Biber.

Als grösster Nager Europas ist er in der Lage, ganze Bäume zu fällen, seine Dämme können zu Überschwemmungen führen. Davon profitieren viele Pflanzen und andere Tiere, darunter die Ringelnatter sowie der stark gefährdete Eisvogel. Wo Biber leben, gibt es nachgewiesen eine grosse biologische Vielfalt.

Kommen sich aber Mensch und Biber zu nahe, entstehen oft Probleme, können die Tiere doch einigen Schaden anrichten: Sie nagen Obstbäume an und fällen sie, untergraben Uferstrassen oder machen sich als reine Pflanzenfresser über Feldfrüchte her. Die Tiere bräuchten mehr Raum in den Gewässern und vor allem an den Uferbereichen. Ein natürlicher Uferstreifen von 10 bis 20 Metern Breite wäre optimal, damit Mensch und Tier friedlich miteinander leben können. Leider sind die Uferzonen vieler Schweizer Gewässer bebaut, manche Uferstrassen grenzen fast unmittelbar an Flüsse an.

Durch die Schweiz schlängeln sich 65’000 Flusskilometer, von denen mehr als 14’000 stark verbaut sind. 4000 Kilometer sollen in den nächsten 80 Jahren renaturiert werden, wofür teilweise auch Landkäufe erforderlich sind. Revitalisierte Flüsse kommen Mensch und Tier zugute, denn wo Fliessgewässer weitgehend ihr natürliches Bett und ihre Überschwemmungszonen zurückerhalten, gibt es auch weniger Hochwasserschäden.

Hier leistet der Biber als Landschaftsarchitekt wertvolle Hilfe: Er gestaltet die Bereiche um das Revier für seine Zwecke um. Dadurch entstehen ganz von selbst auenartige Feuchtgebiete. Im Wasser reduzieren die Bauten stellenweise die Fliessgeschwindigkeit. Eine solch abwechslungsreich gestaltete Landschaft ist Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren, die es ohne den Biber hier nicht gäbe. Denn Auen sind durch menschliche „Gewässerkorrekturen“ ein seltenes Gut geworden. Davon profitieren beispielsweise Teichrohrsänger, Wasserfrösche und Prachtlibellen. So trägt der Biber seinen Teil dazu bei, den Gewässern wieder ihren natürlichen Rahmen zu geben.


Biber gestalten ihren Lebensraum nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen. (Bild: © BMJ - shutterstock.com)

Biber gestalten ihren Lebensraum nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen. (Bild: © BMJ – shutterstock.com)


Durch die Arbeit der Tiere halten sich die Kosten in Grenzen. Der menschliche Anteil an der Renaturierung besteht darin, befestigte Ufer zur Landschaft zu öffnen, Hindernisse zugänglich zu machen und Futterpflanzen für die Biber einzusetzen. Die weitere Arbeit kann man getrost den geschickten „Architekten“ überlassen.

Wiederansiedlung bislang erfolgreich

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in der Schweiz keine Biber mehr. In ganz Europa hatten die Menschen es beinahe geschafft, diese Tierart auszurotten. Gejagt wurden sie wegen ihres Fells und eines bestimmten Sekrets, das als medizinisches Allheilmittel beliebt war. Nicht zuletzt kam – und kommt – es mit dem Nagetier überall dort zu Konflikten, wo der Mensch gravierend in die Natur eingriff: in der Forstwirtschaft, Landwirtschaft und an Deichen, die dem Hochwasserschutz an zuvor begradigten Gewässern dienen.

Neben der intensiven Jagd wurde dem Biber die Zerstörung seiner natürlichen Lebensräume zum Verhängnis: von Menschenhand eingeengte Gewässer verloren ihre natürlichen Überschwemmungsflächen, Auenlandschaften verschwanden und Feuchtflächen wurden gezielt trockengelegt. Hinzu kommt bis heute der starke Einsatz von Dünger und Pestiziden, die auch in Gewässer gelangen.

In der Schweiz laufen seit den 1950er Jahren nachhaltige Bemühungen, den Biber wieder anzusiedeln. Seit 1962 zählt er zu den geschützten Tieren. Der Einsatz lohnt sich: Die Bestände haben sich erholt, der Biber hat in der Schweiz erneut eine Heimat gefunden. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Erhebung ergab einen Gesamtbestand von 1600 Tieren. Ein stolzer Anstieg gegenüber den 350 im Jahr 1993 gezählten Nagern. Diese Zahl gibt Anlass zu Optimismus.

Aber: Es handelt sich überwiegend um einzelne Populationen. Eine stärkere Ausbreitung ist aufgrund der begrenzten Lebensräume schwierig. Die Tiere verteidigen ihre Reviere notfalls bis zum Tod. Junge Biber, die im Alter von zwei Jahren auf Wanderschaft gehen, finden oft kein freies Revier und haben bei Kämpfen das Nachsehen. Ob der Biber langfristig in der Schweiz überleben kann, muss die Zukunft zeigen.

Konzept Biber Schweiz

Das Verhältnis zwischen Mensch und Biber bleibt mancherorts schwierig: Die rege Bautätigkeit der Tiere führt bei einigen Bauern und Forstwirten zu wirtschaftlichen Einbussen. Das Bundesamt für Umweltschutz betreibt daher das „Konzept Biber Schweiz“, das seit 2004 in Kraft ist. Es fördert den Schutz der Biber und ihrer Lebensräume, sieht auf der anderen Seite aber auch Ausgleichszahlungen für Schäden vor, die von den Tieren verursacht wurden.



Damit es gar nicht erst soweit kommt, setzt die Schweiz auf Prävention: Gefährdete Bäume bekommen zum Beispiel Drahthosen. Besteht die Gefahr von Überschwemmungen durch Biber an Hochwasserschutzdämmen, können die Kantone einzelne Tiere einfangen und an geeigneter Stelle wieder aussetzen. Theoretisch sind in solchen Fällen Ausnahmen vom Jagdschutz möglich, zum Glück ist es in der Schweiz bislang nicht dazu gekommen. Das eigentliche Problem sind ja nicht die Tiere, sondern die stark veränderten Gewässer.

 

Oberstes Bild: © Daniel Rose – shutterstock.com

Quellen:

– Bundesamt für Naturschutz

– Pro Natura

– Biberfachstelle CSCF

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