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Neuland: Anna Thommens Dokumentarfilm kommt jetzt auch in deutsche Kinos

08.05.2015 |  Von  |  Beitrag

Im Film „Neuland“ begleitet die Schweizer Regisseurin Annas Thommen junge Immigranten durch die Schulzeit in einer multikulturellen Einwandererklasse. Sie alle hoffen auf eine bessere Zukunft in der Schweiz – aber ob sie dauerhaft hierbleiben dürfen, ist noch unklar.

Eine weitere wichtige Figur im Dokumentarfilm ist der Lehrer Christian Zingg, der sich mit vollem Einsatz für seine Schützlinge aus unterschiedlichen Ländern stark macht. „Neuland“ will kein politisches Statement sein, ermöglicht aber einen überraschend hoffnungsvollen Blick auf die Schweiz als Einwanderungsland.

Über den Film

Die Schüler der Klasse von Herrn Zingg sind aus verschiedenen Ländern in die Schweiz gekommen – zum Beispiel aus dem Iran, Pakistan, Afghanistan, Mazedonien und Albanien. Für ihre weiten Reisen haben sie zum Teil hohe Geldsummen bezahlen müssen – so kostete den 19-jährigen Jungen Ehsanullah die Einwanderung aus Afghanistan rund 20.000 Dollar. Alle Immigranten wollen die Probleme ihrer Heimatländer hinter sich lassen und bringen doch viele persönliche Schicksalsschläge mit in die neue Heimat: Viele beklagen den Verlust ihrer Eltern, Verwandten oder Freunde und hatten einen langen, beschwerlichen Weg zu überstehen.

Die Schweiz ist nicht gerade bekannt für eine liberale oder herzenswarme Einwanderungspolititk. Das Land ist bestrebt, seine Ordnung, Sicherheit, Sauberkeit und Neutralität zu erhalten – und daran wird auch der Film „Neuland“ wenig ändern. Doch Regisseurin Anna Thommen distanziert sich ohnehin von einer rein politischen Intention, wenn sie auch bestimmt nichts dagegen hätte, in den Köpfen vieler Zuschauer Platz für einen Blick von der anderen Seite zu schaffen – den Blick auf Individuen, die auf ihrer Flucht vor Krieg, Not, Hunger und Zerstörung in der Schweiz gelandet sind und hier auch langfristig bleiben und leben möchten.

In der eigens dazu eingerichteten Einwanderungsklasse in Basel lernen die jungen Immigranten in einer Zeit von zwei Jahren die Kultur und Sprache der Schweiz, ihres Neulands, kennen und verstehen. Sie sind zum Teil von vergangenen Erlebnissen schwer traumatisiert – und trotzdem hoch motiviert, denn hier stehen ihnen endlich Möglichkeiten offen, ihr Leben als freie Menschen in einem freien Land selbst in die Hand zu nehmen und ihre Träume zu verwirklichen.

Regisseurin Anna Thommen hat die jungen Migranten und ihren Lehrer über die gesamte zweijährige Schulzeit begleitet und sich ihre Geschichten aus der Vergangenheit, aber auch ihre Hoffnungen, Vorstellungen und Wünsche für die Zukunft erzählen lassen. Dabei wird deutlich, dass trotz aller Chancen ein Damoklesschwert über den Köpfen der Jugendlichen hängt: Es ist unklar, ob sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildung Arbeit finden werden und ob ihnen überhaupt erlaubt werden wird, auch auf Dauer in der Schweiz zu bleiben.

Der sensible, spannende und eindringliche Dokumentarfilm „Neuland“ von Anna Thommen wurde bereits auf vielen Festivals ausgezeichnet und kommt jetzt auch in die deutschen Kinos. Unter anderem erhielt er den First Steps Award, den Preis für den besten deutschsprachige Dokumentarfilm (ZFF), den Publikumspreise Berner Filmpreis und die der Solothurner Filmtage und des Festivals Augenblick in Strasbourg 2014. Zudem wurde „Neuland“ für den Schweizer Filmpreis nominiert und beim Festival „Sehsüchte“ lobend erwähnt.

Obwohl der Film nicht explizit politisch sein oder Partei ergreifen will, engagiert er sich doch sehr positiv auf einem Gebiet, auf dem sich viele Menschen gedanklich selten oder ungern aufhalten: Er erzählt wahre, fesselnde Geschichten, portraitiert junge Menschen mit unverwechselbaren Persönlichkeiten und Einzelschicksalen und entkräftet damit gängige Vorurteile über deren Völker und Herkunftsländer.


Regisseurin Anna Thommen (Bild: neuland-film.ch/)

Regisseurin Anna Thommen (Bild: neuland-film.ch/)


Über die Basler Schule und die Einwanderungsklasse

Bei der Schulklasse, die im Film vorgestellt wird, handelt es sich um die Integrations- und Berufswahlklasse (IBK) in Basel. Diese Klassengemeinschaften wurden im Rahmen der Brückenangebote Basel eingerichtet und stehen Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren zur Verfügung, die nicht mehr schulpflichtig und gerade frisch in die Schweiz eingereist sind.

Die IBK sollen den jungen Immigranten in diesem nachobligatorischen Schulbereich den Einstieg in Land und Kultur erleichtern – und natürlich auch den ins Erwerbsleben ermöglichen. Dazu gibt es verschiedene Hilfsangebote und Kooperationen.

Die Schüler der IBK sind zum Teil noch asylsuchend, andere sind bereits im Besitz einer regulären Niederlassungsbewilligung (B oder C). Tatsächlich werden hier immer wieder auch Jugendliche integriert, die schon einen Schweizer Pass haben – weil die Schweiz eben noch Neuland für sie ist: Ihre Erinnerungen und viele ihrer Gedanken und Gefühle sind in ihrer alten Heimat verwurzelt, aus der sie sehr schmerzvoll und auch nicht freiwillig herausgerissen wurden.



Ein sicheres Leben und ein guter Beruf in der Schweiz

Das Ziel der Basler IBK ist eine zügige soziale und berufliche Integration dieser jungen Menschen in die Schweiz. Wenn alles läuft wie erhofft, beginnen die Schüler nach dem IBK-Besuch und einer kurzen Interimslösung eine solide Berufsausbildung.

Seit der Gründung im Jahr 1990 haben schon rund 1000 jugendliche Einwanderer die Integrationsklassen besucht. In jedem Schuljahr gibt es 12 Klassen, also 6 für jeden Jahrgang, die von jeweils 16 Jugendlichen besucht werden. Regisseurin Thommen lernte Herrn Zingg, den Lehrer, vier Jahre zuvor bei einem medienpädagogischen Filmprojekt kennen. Dort war er mit seiner damaligen Schulklasse, und Anna Thommen war sofort beeindruckt von dem engen Vertrauensverhältnis zwischen Christian Zingg und seinen Schützlingen.

Als der Lehrer ihr dann noch die bewegenden Geschichten der Jugendlichen erzählte, beschloss Thommen, darüber einen Film zu drehen. Die Herausforderung, derart intensive Erlebnisse und Geschichten in einen Film von 90 Minuten zu packen, wart bestimmt nicht leicht zu meistern, doch zusammen mit den echten Helden ihres Films hat die Regisseurin es auf jeden Fall geschafft.

Fazit: Der Dokumentarfilm „Neuland“ hat schon viele Auszeichnungen erhalten und wird nach dem Kinostart in Deutschland auch dort von sich reden machen. Regisseurin Anna Thommen begleitet junge Immigranten, die von weither nach Basel gekommen sind und auf eine bessere Zukunft in der Schweiz hoffen, durch ihre Schulzeit.

 

Oberstes Bild: © neuland-film.ch

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